12 Points go to…. Die Geschichte des Eurovision Song Contests

von Katharina Bawidamann

Am 11. Mai heißt es wieder: Fernseher an, ARD einschalten, sich über Barbara Schöneberger abcringen und dabei hoffen, dass Deutschland eine bessere Performance ablegt als sonst, wobei wir uns immer wieder fragen, wie Deutschland überhaupt ins Finale kommen konnte. Der Eurovision Song Contest, kurz ESC, geht in seine 67. Runde. In diesem Artikel blicken wir auf die Anfänge des Wettbewerbs, der uns musikalische Highlights, wie Ein bißchen Frieden von Nicole und noch unvergesslichere Fernsehmomente beschert hat.

Die Anfänge

Wir schreiben das Jahr 1956. Nikita Chruschtschow leitet beim XX. Parteitag der KPdSU die Entstalinisierung ein. Marokko, Tunesien und der Sudan werden unabhängige Staaten und die beiden Hollywood-Ikonen Marilyn Monroe und Grace Kelly heiraten. Daneben findet in Lugano am 24. Mai ein europaweites Musikevent statt. Die Veranstaltung trägt den Namen Gran Premio Eurovisione Della Canzone Europea in Lugano.
Initiatorin dieses Song Contests war die Europäische Rundfunkunion. Diese Vereinigung sämtlicher öffentlich-rechtlicher Rundfunkstationen wurde ein paar Jahre zuvor im Jahr 1950 ins Leben gerufen.  Der Hintergedanke war, ein Netzwerk zum Austausch von Nachrichtenfilmen zu schaffen, um schneller und übergreifender an Informationen zu gelangen. Allerdings täuscht das Europäisch im Namen, denn zu den 23 Gründungsländern gehörten auch Länder wie Israel. Die erste große Live-Übertragung dieser Vereinigung war übrigens die Krönung Elisabeths II. im Jahr 1953.
Doch zurück zu unserer Veranstaltung in Lugano. Anders als die bereits bestehenden und dazu sehr beliebten Musik-Wettbewerbe Sanremo Festival oder die deutschen Schlagerfestspiele in Baden-Baden soll dieser Gesangswettbewerb komplett auf das Fernsehpublikum zugeschnitten werden, ein Live-Publikum gibt es in Lugano noch nicht. Als es nun am 24.Mai erstmals Bühne frei heißt, nehmen nur sieben Nationen (Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Schweiz und die Bundesrepublik Deutschland) teil. Eigentlich wollten Dänemark, Großbritannien und Österreich ebenso teilnehmen, allerdings verpassten die Länder tatsächlich die Anmeldefrist. Anders als heute performt jedes Land zwei Songs, entweder von derselben Person oder mit unterschiedlichen Sängerinnen und Sängern. Für diese Performances gibt es strikte Regeln: kein Tanzen, nur Singen und das auch nur solo und auf keinen Fall länger als 3 ½ Minuten. Übertragen wird das Spektakel dann in den öffentlich-rechtlichen Sendern der Länder der Europäischen Rundfunkunion. Dabei kommentiert und moderiert jedes Land jeweils selbst den Abend, wie wir es aus den heutigen Shows kennen.

Entwicklung ab den 1950er Jahren

Nach den Bühnenshows stimmt die Jury, bestehend aus jeweils zwei Mitgliedern jedes Teilnehmerlandes,  gemeinsam über den Gewinnersong ab, ohne das berühmte „12 Points go to“-System. Die erste Gewinnerin des Wettbewerbs ist die Schweiz mit Lys Assia und dem Song Refrain. Deutschland, vertreten durch Freddy Quinn und Walter Andreas Schwarz, belegen mit ihren Chansons So geht das jede Nacht und Im Wartesaal zum großen Glück Platz 13 und 4. Trotzdem findet der nächste ESC 1957 in Frankfurt statt, denn dass das jeweilige Gewinnerland den nächsten ESC austrägt, wird erst 1959 eingeführt.

Abbildung 1: Lys Assia, erste Gewinnerin des ESC

In Frankfurt gestaltet sich der Grand Prix Eurovision de la Chanson, wie es damals genannt wird, schon eher so, wie wir ihn heute kennen: jedes Land nur ein Titel, Pausenact, Punktevergabe. Dennoch werden die genauen Regeln, das 12 Punkte System, die Einbindung des Publikumsvotings und anderes immer wieder angepasst, um eine möglichst faire Abstimmung zu ermöglichen. Dabei ist ein Fakt ziemlich ausschlaggebend: die sogenannten Big Five. Denn die Länder Deutschland, Italien (seit 2011), Großbritannien, Frankreich und Spanien sind aufgrund ihrer Größe und der Gewichtung ihrer Votings seit 1998 immer automatisch dabei. Hier habt ihr also eine Antwort auf die Frage, wieso Deutschland es immer ins Finale schafft.
Politische Äußerungen beim ESC sind übrigens unerwünscht. Es soll ein Kulturevent sein und Ländern die Möglichkeit bieten, bestimmte landestypische Aspekte zu repräsentieren. Das hat demnach auch zur Folge, dass die Show um den Contest herum auf das Gastgeberland abgestimmt ist. Dazu ist der Austragungsort häufig nicht die Hauptstadt des Gewinnerlandes. 1982 holte Nicole für Deutschland mit ihrem Sieg in Harrogate das Ereignis schließlich nach München und Austragungsort für den ESC 2011 war Düsseldorf – nicht Berlin.
Auch wenn die meisten teilnehmenden Personen und Gewinner schnell in Vergessenheit geraten, profitierte eine Gruppe enorm von ihrer Teilnahme am ESC. ABBA sang sich mit keinem geringeren Hit als Waterloo 1974 in Brighton in die Herzen des europäischen Publikums und der Fachjury. Mit dem Sieg begann ihre Weltkarriere, die bis heute andauert. Der ESC war für sie also alles andere als Napoleons Waterloo von 1815.
Neben dem klassischen Gesangswettbewerb hat der Song Contest viele unbekannte Ableger. So gibt es unter anderem die Jugendausgabe vom ESC (Junior Eurovision Song Contest), Tanz-, Chor- und Musikwettbewerbe.

Fazit

Was somit 1956 als kleines Musikfestival in Lugano begann, etablierte sich als jährliches Großereignis mit ungefähr 183 Millionen Zuschauenden weltweit im Jahr 2021 und verdrängte dazu die gefürchtete Konkurrenz, oder kennt irgendwer heute noch die deutschen Schlagerfestspiele in Baden-Baden? 

Internetquellen:
https://www.eurovision.de/geschichte/1974-Eurovision-Song-Contest-in-Brighton,brighton107.html (zuletzt aufgerufen am 15.02.2023)
https://www.eurovision.de/geschichte/Alle-Infos-zum-Eurovision-Song-Contest,esc3098.html (zuletzt aufgerufen am 15.02.2023)
https://www.eurovision.de/geschichte/1956-Gran-Premio-Eurovisione-Della-Canzone-Europea-in-Lugano,lugano105.html (zuletzt aufgerufen am 15.02.2023)
https://www.ebu.ch/eurovision+song+contest (zuletzt aufgerufen am 15.02.2023)

Abbildung:
Lys Assia (1958), Nederlandse Televisie Stichting, Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)


Layout: Chiara Vetrano
Header: Katharina Bawidamann

Veröffentlicht von nomennominandum

Die Nomen Nominandum ist das Magazin der Student*innen des Historischen Seminars der LMU. Folgt der NN, deNN sie ist sehr gut!

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