Diversity in der griechischen Mythologie?! Der Gott Hermaphroditos

von Katharina Bawidamann

Abb. 1: Hermaphroditos und Satyr

Schönheit, Gottheit, genderfluid?  In der Antike repräsentierte diese Eigenschaften der Gott Hermaphroditos! Die wenigsten von uns kennen diesen ziemlich unbekannten Gott. Schließlich gehört er nicht zu den 12 Göttern und Göttinnen, die auf dem Olymp residieren. Trotzdem war er in der griechischen Mythologie ein einflussreicher Gott. Nicht zuletzt gibt er bis heute Aufschluss darüber, wie Diversity in der griechischen Antike verankert war. Doch wer war Hermaphroditos und was macht ihn zu einem Repräsentanten der LGBTQI+-Community bis heute? 

Der Stammbaum des Hermaphroditos

Vielleicht kann sich bereits der ein oder andere anhand des Namens Hermaphroditos erschließen, von welchen Eltern er abstammt.Denn tatsächlich ist seine Mutter niemand geringeres als die Göttin der Liebe, Schönheit und natürlich Sexualität, Aphrodite. Sein Vater hingegen ist der Schutzgott der Reisenden, der Händler, der Magie, der Diebe und des Verkehrs, Hermes. Hermes und Aphrodite gehören beide zum griechischen Pantheon. Da Hermes der Sohn des Göttervaters Zeus ist und Aphrodite einem Samen des Uranus entsprungen ist,sind auch seine beiden Großväter, wenn man so will, eigentlich die bedeutendsten Figuren innerhalb der griechischen Mythologie.

Hermaphroditos wurde demnach aus einem kleinen Abenteuer zwischen Hermes und Aphrodite geboren. Sie war eigentlich mit Hephaistos verheiratet. Aber die Götterwelt war ja bekanntlich Trendsetter für das offene Beziehungskonzept. Auf dem Olymp aufwachsen konnte er allerdings nicht und so verbrachte Hermaphroditos die ersten 15 Jahre seines Lebens hinter dem Ida Gebirge. Jedochist das nicht der Geburtsort seines Großvaters Zeus auf Kreta, sondern Berg Ida in Phrygien, was heute im türkischen Anatolien liegt.

So wuchs er in direkter Umgebung der “Najaden” auf. Najaden sind in der griechischen Mythologie Nymphen, die über Seen, Flüsse und Bäche wachen. Zu ihren Charaktereigenschaftenzählen vor allem Fleiß und Bescheidenheit.

Hermaphroditos und Salmakis

Mit 15 Jahren stieg er vom Ida Berg hinab und reiste durch Kleinasien. Allgemein galt Hermaphroditos in seiner Gestalt als äußerst schön und überaus liebreizend, aber wen wundert das bei diesen Eltern? Bei einer Pause an einer Quelle machte er Bekanntschaft mit der Najade Salmakis.Sie war, anders als die anderen Najaden, als besonders faul und eitel. Als ihr schließlich Hermaphroditos über den Weg lief, war sie hin und weg. Sie versuchte ihre besten Flirttaktiken, um den Teenager für sich zu gewinnen, was leider vergebens war. Denn dieser war ziemlich schüchtern und es nicht gewohnt, mit Personen in Kontakt zu kommen. Von der Abweisung war die Najade mehr als gestört und versuchte umso mehr, bei ihm gut anzukommen.

Das trieb Hermaphroditos endgültig zur Weißglut und er gab ihr barsch zu verstehen, ihn in Ruhe zu lassen. Als sie endlich von ihm abließ, nahm er ein Bad in der Quelle.

Die Verwandlung

Er wog sich in Sicherheit, doch Salmakis versteckte sich nahe der Quelle und sprang auf Hermaphroditos. Damit nicht genug: Sie bat die Götter, mit Hermaphroditos eins zu werden. Nun, man soll ja bekanntlich vorsichtig sein, was man sich wünscht, denn es kann schneller in Erfüllung gehen, als einem lieb ist. Ihr Wunsch erfüllte sich und die Götter ließen die beiden zu einer Person werden. Das heißt: In einem Körper befinden sich zwei Personen und somit auch zwei Geschlechter. Damit wurde Hermaphroditos intersexuell also sowohl männlich als auch weiblich durch sowohl äußerliche Merkmale als auch durch das biologische Geschlecht.

Bedeutung und Nachwirken

Mit diesem neuen Geschlecht schloss er sich den Eroten an. Die Eroten waren die Gefolgsleute der Aphrodite und symbolisierten für die Griechen einzelne Facetten der Vielschichtigkeit der Liebe, die sie bei Bedarf anrufen konnten, um ihnen bei bestimmten Problemen zu helfen. Hermaphroditos war demnach der Schutzpatron von effeminierten Männern und maskulinen Frauen und den Personen, die im heutigen Sprachgebrauch als intersexuell bezeichnet werden.

Vom römischen Dichter Ovid ist bis heute die einzige vollständige Überlieferung seiner Geschichte vorhanden. Über die gesamte antike griechische (und auch zum Teil römische) Welt waren Statuen des Gottes verteilt. Die wohl bekannteste Darstellung ist die des schlafenden Hermaphroditos des griechischen Bildhauers Polykles aus dem 2. Jahrhundert vor Christus.

Abb. 2: Schlafender Hermaphroditos

Hermaphroditos ist nur eines von vielen Beispielen in der griechischen Mythologie wie das Thema Queerness, Homosexualität und Genderthemen gesehen und erklärt wurden von Teilen der Gesellschaft. Seine Geschichte sollte uns alle daran erinnern, dass es viel mehr Vielfalt in der Gesellschaft gibt.

Happy Pride! All day, every day, all year long!

Literaturnachweise:
Fry, Stephen: Mythos-Was die Götter heute sagen. Berlin, 2018.
Ovid: Metamorphosen 4,274–388. Stuttgart, 2021.

Abbildungsnachweise:
Abb. 1: aaron wolpert, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Statues_of_Hermaphroditus?uselang=de#/media/File:Hermaphroditos_and_satyr.jpg)
Abb. 2: InSapphoWeTrust from Los Angeles, California, USA, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Borghese_Hermaphroditus_(Louvre,Ma_231)?uselang=de#/media/File:Hermaphrodite(Le_Louvre)_(5447635434).jpg)


Layout: Dominika Tóthová
Header: Charlotte Geier

Veröffentlicht von nomennominandum

Die Nomen Nominandum ist das Magazin der Student*innen des Historischen Seminars der LMU. Folgt der NN, deNN sie ist sehr gut!

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