Rhodos und der Kampf gegen die Piraten

Von Jonas Hey

Der unabhängige Inselstaat Rhodos versuchte ebenso wie andere hellenistische Staaten unaufhörlich, sein Herrschaftsgebiet zu erweitern. Aufgrund der geografischen Lage entstand schnell eine Flotte, die gegen Piraten und Gegner gleichermaßen eingesetzt wurde. Zugleich versuchte Rhodos mit allen griechischen Staaten verbündet zu sein, was immer wieder mit den hellenistischen Diadochen zu Konflikten führte. Besonders bei der Eroberung Kretas ab 204 v. Chr. wurde die Piratenbekämpfung als Thema angeführt. Nach dem Dritten Makedonischen Krieg 168 v. Chr. verlor Rhodos faktisch seine Unabhängigkeit.

Abb. 1: Alter Hafen vor der Festung Nikolaos in Rhodos

Rhodos als Mittelmacht

Nach dem Austritt aus dem attischen Seebund im Jahr 412 v. Chr. erlangte Rhodos erstmals seine Unabhängigkeit. Diese konnten sie im nächsten Jahrhundert meist verteidigen. Alexander der Große setzte allerdings im Jahr 334 v. Chr. eine unbeliebte militärische Besatzung auf der Insel ein. Nach deren Abzug versuchte 304 v. Chr. der makedonische Diadoche Demetrios I. Poliorketes vergeblich die Stadt zu erobern. Aus Dank an die Götter errichteten die Rhodier den Koloss von Rhodos an der Hafeneinfahrt. Diese Monumentalstatue galt Antipatros von Sidon als eines der sieben Weltwunder. Der Standort und die Größe sind in der Forschung umstritten. Jedenfalls konnte Rhodos nach diesem Sieg als relativ unabhängige Mittelmacht in der südlichen Ägäis agieren.

Frühe Entwicklungen zur Seemacht

Bereits zu Beginn des 3. Jhd. v. Chr. findet sich eine Inschrift in Argos, in der Rhodos für ihren Schutz zu Wasser und zu Lande gedankt wird. Diese lässt aufgrund des floskelhaften Charakters noch keine Aussagen über die tatsächliche Bedeutung von Rhodos als Seemacht zu und hat keinen Bezug zu Piraten. Dies ändert sich mit dem Sieg von Rhodos in der Seeschlacht bei Ephesos in der Mitte des 3. Jhd. v. Chr., in der Rhodos die seleukidische Eroberung von Ephesos unterstützte und wohl eine ptolemäische Flotte besiegte. Dies ist durch mehrere Dankesinschriften an die Rhodier und eine Ehrenstatue für den Admiral Agathostratros auf Delos belegt, welche zu der Zeit das Zentrum des Nesiotenbundes war. Dieser bestand aus den Inseln der Kykladen im Südwesten der Ägäis mit Delos als bedeutendsten Kultort und war zuvor Teil der ptolemäischen Einflusssphäre und wechselte nach der Schlacht in denjenigen von Rhodos.

Exkurs: Piraten im Hellenismus

Die Beziehungen zwischen den hellenistischen Nachfolgestaaten in Griechenland und der Ägäis waren grundsätzlich komplex und veränderten sich immer wieder. Wechselnde Bedürfnisse führten dazu, dass auch Flottenkapitäne häufig die Seiten wechselten. Dies wurde noch durch eine unklare Rechtslage verstärkt, die nicht eindeutig zwischen legalen Kaperfahrten und illegaler Piraterie unterschied. Außerdem bezichtigte die eine Seite öfters die andere der Piraterie, oft ohne dafür Belege anführen zu können. Auch wurde gerne im Rahmen von Kriegszügen geplündert, um Rohstoffe oder Sklaven zu erhalten, was selbst staatliche Akteure wie Piraten aussehen lassen konnte.

Krieg gegen die Piraten von Kreta

Grundsätzlich war es im Hellenismus normal, dass Staaten nicht direkt in den Herrschaftsbereich integriert wurden, sondern durch Bündnisverträge indirekt in die Einflusssphäre eines größeren Staates kamen. Dies wurde durch gegenseitige Geschenke oder Dankesinschriften ausgedrückt. Der Kretische Krieg von 204 bis 201/0 v. Chr. ist durch antike Quellen schlecht belegt, weshalb stets eine gewisse Unsicherheit über die tatsächlichen Motive verbleibt. Die kretischen Städte waren Teil einer Unterstützungsallianz aufseiten des makedonischen Königs Philipp V. und somit primär unter dessen Schutz. Letzterer entsandte zunächst einen Kommandanten des verbündeten Aitolischen Bundes mit 20 Schiffen in die Kykladen, um dort Abgaben für Philipp V. einzutreiben. Dies sahen die Rhodier als Eingriff in ihre Einflusssphäre und legten die Handlungen des Kommandanten als Piraterie aus. Zugleich griffen sie wohl die Stadt Koinon auf Kreta an, um dort direkt gegen die Piraten vorzugehen. 

Anscheinend verloren einige griechische Städte um Koinon den Krieg, denn sie wurden durch Bündnisverträge an Rhodos gebunden. Diese enthielten verschiedene Beistandsklauseln, liefen aber am Ende darauf hinaus, dass die kretischen Städte ihre Häfen für die rhodische Flotte öffnen mussten. Außerdem wurde festgelegt, dass Rhodos auch gegen verbündete Staaten von Koinon Krieg führen durfte, Koinon hingegen nicht gegen Verbündete von Rhodos. Auch musste sie Rhodos bei Kampagnen gegen Piraten unterstützen. Daraus ergibt sich das Bild, dass Rhodos die kretischen Städte dominieren und selbst entscheiden konnte, wen sie gerade für Piraten hielten und dementsprechend handeln. Neben der territorialen Komponente hatten die Rhodier natürlich auch ein Interesse daran, die Seewege zu ihrem Kernhafen freizuhalten. Somit ist die Reaktion der Rhodier eine Mischung aus verschiedenen Motiven.

Kriege gegen die Diadochen Philipp V. und Antiochos III.

Den Zweiten Römisch-Makedonischen Krieg löste Rhodos mit aus, indem es 201 v. Chr. in bedrängter Situation zusammen mit Pergamon einen Hilferuf an den römischen Senat sandte. Während sich Pergamon und Rom aktiv an Land gegen Philipp V. zur Wehr setzten, unterwarf Rhodos abtrünnige Inseln in den Kykladen. Bei diesem und dem anschließenden Antiochoskrieg ab 192 v. Chr. sind immer wieder Berichte über rhodische Aktionen gegen Piraten überliefert. Doch aufgrund des herrschenden Kriegszustandes ist wie bereits im Kretischen Krieg nicht mehr feststellbar, ob es sich tatsächlich um Piraten oder um feindliche Flotten handelte. Aus der Zeit ist auch eine weitere Dankesinschrift für einen rhodischen Kapitän erhalten, in dem ihm formelhaft für seinen Schutz gedankt wird. Es erscheint naheliegend, dass damit auch die Städte in der rhodischen Einflusssphäre die Piraten als Element der Außendarstellung aufnahmen.

Niedergang von Rhodos

Im Dritten Makedonischen Krieg versuchte Rhodos 168 v. Chr. zwischen Rom und dem makedonischem König Perseus zu vermitteln, was von Rom als Verrat ausgelegt wurde. Daraufhin errichteten die Römer in Delos einen Freihafen, was anstelle von Rhodos der Hauptumschlagplatz in der Ägäis wurde und Rhodos wirtschaftlich stark schädigte. Auch verlor die Stadt ihre Festlandbesitzungen in Karien, die sie erst ein Jahrzehnt zuvor im Antiochoskrieg gewonnen hatte. In den Jahren 155 bis 153 v. Chr. kam es nochmals zu einer Kampagne gegen kretische Piraten, die Rhodos als römischer Vasallenstaat führte, da die Römer in der Ägäis selbst keine Flotte unterhielten. Die Insel blieb nominell bis 74 n. Chr. eigenständig, wenngleich sie vollständig umgeben vom römischen Reich keine Handlungsspielräume mehr hatte.

Fazit

Dem Inselstaat Rhodos gelang es durch seine besondere geografische Lage, sich seine Unabhängigkeit von den Diadochenstaaten zu erkämpfen. In der Zeit des Hellenismus versuchten die Rhodier wie viele andere Staaten auch, ihren Einflussbereich zu erweitern. Hierfür führten sie den Kampf gegen Piraten als Hauptmotiv ins Feld. Ob sie dabei tatsächlich Piraten oder nicht eher gegnerische Flotten bekämpften, ist aufgrund der dünnen Quellenlage und der komplexen Verhältnisse der Zeit schwer zu beurteilen.

Literaturnachweise
Koehn, Clemens: Krieg – Diplomatie – Ideologie. Zur Außenpolitik hellenistischer Mittelstaaten (= Historia Zeitschrift für Alte Geschichte 195), Stuttgart 2007, S. 155–168.
Wiemer, Hans-Ulrich: Rhodische Traditionen in der hellenistischen Historiographie (= Frankfurter Althistorische Beiträge 7), Frankfurt am Main 2001.
Wiemer, Hans-Ulrich: Krieg, Handel und Piraterie. Untersuchungen zur Geschichte des hellenistischen Rhodos (= Klio. Beiträge zur Alten Geschichte, Beihefte Neue Folge 6), Berlin 2002, S. 111–117, 168–176, 328–351.

Abbildungsnachweis:
Abb 1: Alte Hafen vor der Festung Nikolaos in Rhodos, erstellt von Benutzer: Olbertz: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Festung_Agios_NikolaosPyrgos.jpg (abgerufen am 17.04.2023; Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Layout: Jonas Hey
Header: Katharina Bawidamann

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