Leichentransport „deutscher Art“

von Dominika Tóthová

Historisch betrachtet gab es die Form der getrennten Bestattung vorrangig bei adligen Persönlichkeiten schon lange. Angefangen in der Antike, praktizierte man diese Art der Teilbestattung auch bei europäischen Adligen – und das bis ins 19. Jahrhundert. 
Und auch im Mittelalter war die getrennte Bestattung, vor allem hochrangiger Personen des geistlichen, sowie weltlichen Standes, eine gängige Praxis.
In Zeiten von Kriegen und der Kreuzzüge etablierte sich im Mittelalter das Verfahren des „mos teutonicus“. Was es mit diesem Verfahren auf sich hat, soll in diesem Artikel vorgestellt werden.

Eine kurze Geschichte der getrennten Bestattung

Getrennte Bestattungen waren bereits in der Antike gängig. Um die Konservierung eines Leichnams zu verbessern, wurden dem Toten das Gehirn, die inneren Organe sowie die Eingeweide entfernt. Im Alten Ägypten wurde bei der Mumifizierung nur das Herz im Körper gelassen (welches beim Totengericht auf die Waage gelegt und somit der Lebenswandel des Verstorbenen gewogen wurde), während die Eingeweide separat vom Leichnam beigesetzt wurden. 
Schließlich verbreitete sich die Form der getrennten Bestattung in Europa.
Besonders vorteilhaft war diese Art der Bestattung, wenn zwischen Todeszeitpunkt und der Beisetzung eine längere Zeitspanne lag. Dies erleichterte vor allem zu Zeiten der Kreuzzüge den Leichentransport bzw. die Überführung der Gebeine hochrangiger Persönlichkeiten in die Heimat.
Prominente Beispiele für die getrennte Bestattung findet man zuhauf. Der Körper von Richard Löwenherz zum Beispiel wurde am 11. April 1199 mit den königlichen Insignien in der Abtei Fontevrault neben seinem Vater bestattet. Sein Gehirn, sowie die Eingeweide, wurden in Charroux im Poitou beigesetzt und sein Herz in der Kathedrale von Rouen, dem Krönungsort und der Grablege normannischer Herzöge.

Abb. 1: Grab Richards I. Löwenherz in der Abtei Fontevrault
Abb. 2: Grab Richards I. Löwenherz in der Kathedrale von Rouen

Während des Mittelalters und bis in die Neuzeit nahm die Aufteilung der Körper mehr und mehr institutionelle Formen an und man konnte sich diese Art der Bestattung nicht mehr aus dem Hofzeremoniell wegdenken. Ihren Höhepunkt fand die getrennte Bestattung in Europa im 17. Jahrhundert – besonders populär war hier die sogenannte Herzbestattung.Dabei wurde vielen hochrangigen Persönlichkeiten und Monarchen nach dem Tod das Herz entnommen, in einigen Fällen auch die Eingeweide und anschließend getrennt vom Körper bestattet. Vor allem bei den Habsburgern wurde die getrennte Bestattung vorrangig praktiziert. Dabei wurden die Leichname der Monarchen in der Kapuzinergruft, sowie die Eingeweide in der Krypta des Stephansdoms bestattet und die Herzen in der Herzgruft, der Loretokapelle der Augustinerkirche in Wien.

Abb. 3: Darstellung der Herzlgruft in der Loretokapelle der Augustinerkirche in Wien
Abb. 4: Herzlgruft in der Loretokapelle der Augustinerkriche in Wien

Trotz immer mehr Fortschritte in der Medizin und der Leichenkonservierung, blieb die getrennte Bestattung noch lange in Gebrauch. Selbst Anfang des 19. Jahrhunderts, als man begann, den Leichen konservierende Flüssigkeiten in den Blutkreislauf zu spritzen, wurden Gehirn, Herz und Eingeweide weiterhin getrennt vom Körper bestattet.
Die Entdeckung des Formaldehyds 1855 hat diese Art der Leichenkonservierung allerdings revolutioniert. Somit wurde das Entfernen des Herzens und der Eingeweide unnötig. Mit dem Einsatz des Formaldehyds konnten Leichen längerfristig erhalten bleiben. Bei den Habsburgern praktizierte man die getrennte Bestattung ein letztes Mal im Jahre 1878 nach dem Tod von Erzherzog Franz Karl, dem Vater Kaiser Franz Josephs I. Danach wurden alle Leichname mithilfe von Formaldehyd konserviert. Kurz darauf wechselten auch Päpste auf diese Art der Leichenkonservierung, denen seit dem 16. Jahrhundert ebenfalls die inneren Organe entfernt wurden. Leo XIII., der 1903 verstarb, war der letzte Papst, dessen innere Organe entfernt wurden. Danach wurde auch bei den toten Päpsten Formaldehyd angewendet. Was hat es aber mit der deutschen Art auf sich?

Leichen à la mos teutonicus

Das Verfahren des mos teutonicus wurde bei besonders hochrangigen Personen vor allem im 12. und 13. Jahrhundert praktiziert und war eine besondere Form der getrennten Bestattung. Wie bereits erwähnt, war die getrennte Bestattung während der Zeit der Kreuzzüge sehr gängig, damit Leichname bzw. die Gebeine der Verstorbenen in die Heimat überführt werden konnten. Quellen berichten hierbei vom Verfahren des mos teutonicus, der getrennten Bestattung mos teutonicus (lateinisch für deutsche Art oder deutsche Sitte). Da das Verfahren seit den Italienfeldzügen in ottonischer Zeit üblich geworden war, bürgerte sich diese Bezeichnung in Italien ein. Bei diesem Verfahren wurde der Leichnam durch Abkochen in Fleisch und Knochen zerlegt. So war man in der Lage, die Gebeine zu transportieren, ohne Angst davor zu haben, dass der Leichnam vollkommen verwest an seinem Bestimmungsort ankam.

Vor allem die vielen Kriege, sowie Reisen europäischer Herrscher, haben die Hinterblieben dazu gezwungen, dieses Verfahren anzuwenden. Eine Beschreibung dieser Bestattungsart findet sich u.a. in der Historia Welforum aus der Zeit um 1170, die die Geschichte der schwäbischen Welfen darstellt und ausschließlich dem Fürstengeschlecht gewidmet ist: „Quorum omnia pene ossa carnibus per excoctionem consumptis, ad propria reducta sunt. Translata sunt autem et ossa Guelfonis nostri et in monasterio Staingadem a patre suo fundato reposita sunt.” (Bei fast allen diesen wurden die Gebeine, nachdem sie durch Kochen vom Fleisch abgelöst worden waren, in ihre jeweilige Heimat zurückgebracht. Überführt wurden aber auch die Gebeine unseres Welfen und in dem von seinem Vater gegründeten Kloster Steingaden bestattet.)

Das wohl prominenteste Beispiel in diesem Zusammenhang ist der Leichnam Kaiser Friedrichs I. (Barbarossa), welcher ebenso auf diese Weise verarbeitet wurde. Kaiser Friedrich I. starb während des Dritten Kreuzzuges 1190 im Fluss Saleph nahe Seleucia. 
Sein Herz, sowie seine Eingeweide, wurden in Tarsos (heutige Türkei) bestattet, sein Fleisch in der Peterskirche in Antiochia. Seine Gebeine nahm sein Sohn, Friedrich VI. von Schwaben, auf dem Weg nach Jerusalem mit, welcher allerdings selber auf dem Weg an einer Malariaerkrankung starb und somit beide vermutlich vor oder in Akkon beerdigt wurden.  
Neben den praktischen Gründen gab es auch persönliche, die das Verfahren des mos teutonicus unabdinglich machten. So wie bei dem bretonischen Heerführer Bertrand du Guesclin, der 1380 in Südfrankreich gefallen war, aber zuvor den Wunsch äußerte, in seiner Heimat in der Bretagne begraben zu werden. Nachdem die Eingeweide entnommen und in Südfrankreich bestattet wurden, balsamierte man seinen Leichnam für die Überführung ein. Da die Konservierung aber nicht erfolgreich war, begann der Leichnam während der Reise langsam zu zerfallen. Schließlich wurde das Fleisch des Leichnams, nachdem das Herz zuvor entnommen wurde, entsprechend dem mos teutonicus von den Knochen gekocht. Aufgrund seiner Verdienste ordnete König Karl V. an, dass seine Gebeine in der Königsgrablege Saint-Denis bei Paris bestattet werden sollen. Sein Herz aber wurde nach seinem Wunsch in seiner bretonischen Heimat bestattet. Insgesamt ist du Guesclin an vier verschiedenen Orten Frankreichs begraben.Trotz einiger Belege aus den Quellen, kann man nicht mit Sicherheit sagen, ob man das Verfahren des mos teutonicus tatsächlich gängig praktizierte. Allerdings lässt das Ende der Praxis darauf deuten, dass dieses Verfahren zumindest in bestimmten Fällen angewandt wurde.

Das Ende des mos teutonicus

Im Gegensatz zur getrennten Bestattung allgemein hielt sich die Bestattung deutscher Art nicht so lange. Mit der Bulle Detestande feritatis verbot Papst Bonifatius VIII. 1299 und 1300 das Zerteilen oder Kochen von Leichnamen zum Zwecke der Bestattung. Dennoch blieb das Verfahren des mos teutonicus noch einige Zeit bestehen – vor allem während der Kriegs- und Kreuzzugszeiten. Aber mit der Zeit wurde dieses Verfahren immer unwichtiger, denn die Bulle hatte auch ihre positiven Seiten: sie beschleunigte und begünstigte die Suche nach geeigneteren Verfahren, Leichname temporär zu konservieren, was das Abkochen der Knochen nicht mehr notwendig machte. Auch das Ende der Kreuzzüge begünstigte das Abschaffen des Verfahrens und dennoch bleibt es eines der spannendsten Bestattungsformen des Mittelalters, sowie eine nützliche Methode der damaligen Zeit, Leichenteile ohne Probleme zu transportieren.

Quelle:
Historia Welforum Weingartensis, MGH, Scriptores XXI, S. 471.

Literaturnachweise:
BROWN, Elizabeth A.: Death and the human body in the later Middle Ages. The legislation of Boniface VIII on the division of the corpse, in: Viator 12 (1981), S. 221–270.
GLÜCK, Alexander/LA SPERANZA, Marcello/RYBORZ, Peter: Unter Wien. Auf den Spuren des Dritten Mannes durch Kanäle, Grüfte und Kasematten, Berlin 2001.
GÖRICH, Knut: Die Staufer: Herrscher und Reich, München 2006.
SCHMITZ-ESSER, Romedio: Der Leichnam im Mittelalter. Einbalsamierung, Verbrennung und die kulturelle Konstruktion des toten Körpers. Hg. von Bernd SCHNEIDMÜLLER/Stefan WEINFURTER (Mittelalter-Forschungen 48) Ostfildern 2014.
SEDDON, Christopher R.: Seziert und zugenäht. Überlegungen zur Leichenkonservierung als Teil höfischen Zeremoniells der Habsburger, Sonderdruck, Linz 2005.
VERNIER, Richard: The flower of chivalry. Bertrand Du Guesclin and the Hundred Years War, Woodbridge 2007.
WIERUSZOWSKI, Helene: Neues zu den sog. Weingartener Quellen der Welfengeschichte, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 49 (1930) S. 56–85.
WILKINSON, Richard H.: Die Welt der Götter im alten Ägypten. Glaube – Macht – Mythologie, Stuttgart 2003.

Abbildungsnachweise:
Abb. 1: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Tomb_of_Richard_I_of_England?uselang=de#/media/File:Richard1TombFntrvd.jpg
Abb. 2: Fab5669, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0&gt;, via Wikimedia Commons, „Interior of Our Lady cathedral of Rouen (Seine-Maritime, France) : effigy of Richard the Lionheart in the ambulatory“ (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Effigy_of_Richard_I_of_England?uselang=de#/media/File:Rouen_-_cath%C3%A9drale_Notre-Dame,_int%C3%A9rieur_34.jpg)
Abb. 3: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Loreto_Chapel_of_Augustinian_Church,_Vienna?uselang=de#/media/File:BERMANN(1880)_p0927_Die_Herzen_der_Habsburger,_der_kaiserlichen_Familie.jpg
Abb. 4: Gugerell, CC0, via Wikimedia Commons, “Loretokapelle in der Augustinerkirche in Wien 1, Herzgruft” (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Loreto_Chapel_of_Augustinian_Church,_Vienna?uselang=de#/media/File:Wien_01_Loretokapelle_(Augustinerkirche_Wien)_b.jpg)


Layout: Dominika Tóthová
Header: Katharina Bawidamann

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