Der Nutzen der Angst vor dem Ende

von Katharina Bawidamann

„2012“, „Independence day“, „the day after tomorrow“ — alles millionenschwere  Hollywoodblockbuster, die vor allem eines gemeinsam haben: Die Zerstörung unseres Planeten Erde und apokalyptische Endzeitvorstellungen. Wirft man einen Blick in die heiligen Schriften des Christentums oder des Islams, erscheint es so, als hätten Regisseure Passagen über das Ende der Welt direkt in ihre Drehbücher übernommen. Aber was genau erwarten diese religiösen Gruppierungen von dem Untergang der Erde, wie stellen sie sich diesen vor? Was verbindet und unterscheidet gleichzeitig die Gruppen untereinander in ihren Auffassungen? Weiter stellt sich die Frage, wie viel Einfluss fundamentalistische Gruppen auf Politik und Medien ausüben können. – Ein Essay von Katharina Bawidamann

Sehet der Retter ist nah! – Endzeitvorstellungen im Islam, Christen- und Judentum

Generell gehen alle drei abrahamitischen Religionen, also Islam, Juden- und Christentum davon aus, dass der Messias, also der im alten Testament angekündigte Erlöser, in irgendeiner Form auf die Erde zurückkehrt. Die genauere Interpretation, wie die Rückkehr erfolgen wird, legen die Teilgruppen individuell aus. So kann diese als positives aber auch als negatives Ereignis aufgefasst werden. Die jeweiligen Erwartungshaltungen formen damit auch die Gemeinschaften. Da Fundamentalisten im Christentum und Islam ihre heilige Schrift wörtlich nehmen, ergibt sich daraus eine konkrete negative Vorstellung, denn in der Bibel und Koran ist das Ende der Welt als zerstörerisches Großereignis beschrieben. Evangelikale Christen in den Vereinigten Staaten glauben daran, dass die Menschheit aufgrund ihrer begangenen Sünden erst zu leiden hat in Form von Kriegen oder Naturkatastrophen und passen die Aussagen der Bibel den aktuellen Weltgeschehnissen an. Im Lukasevangelium spricht Jesus:  “Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, das Meer tobt und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden”. Umgemünzt auf unsere Zeit prophezeien diese einen Atomkrieg an dessen Ende Jesus, der als Messias zurückkommt, mit seinen Anhängern gegen die sogenannten Ungläubigen kämpft und anschließend als König über die Welt von Jerusalem aus herrscht. Damit das erfolgen kann, muss die jüdische Bevölkerung wieder vereint in den biblischen Gebieten Israels wohnen und als Gemeinschaft auftreten. Geschieht dies alles, entsteht eine neue Weltordnung. Ungläubige Menschen und Menschen, die nicht ein Leben nach der Bibel führen, werden demnach bestraft und haben kein Anrecht auf Gottes Erlösung.

Evangelikale Gruppen und ihr Einfluss auf die Politik und Hollywood

Tatsächlich ist diese Vorstellung vom Armageddon sowie vom Weltuntergang nicht nur bei den US-amerikanischen-fundamentalistischen Gruppierungen vertreten. Laut einer Umfrage von 1996 glauben 42% der Bevölkerung in den USA daran, dass so die Welt zugrunde gehen wird. Dabei stellt sich die Frage, wie es dazu kommt, dass diese Meinung so weit verbreitet ist. Sind daran nur die Hollywoodstudios schuld? Dies scheint zweifelhaft, da viele Filme durch stilistische Mittel, wie die Ankunft von Außerirdischen und dem Einsatz von Superwaffen aller Art,  surreal sind und für die Zuschauer keine direkte Wirkung haben.

Jedoch können andere Medien durchaus eine Auswirkung auf die Ansichten von Menschen haben. Wird etwas oft wiederholt und mit Beispielen an das alltägliche Leben gefüllt, könnte das zur Folge haben, dass Menschen diese Gedanken verinnerlichen. Dieses Phänomen nennt die Psychologie übrigens Wahrheitseffekt.  Mit solchen Methoden arbeiten Fernsehprediger in den US, die ihre fundamentalistischen Weltanschauungen in die Wohnzimmer von Millionen Haushalten in den USA übertragen. Dadurch ist es ihnen möglich, ihre Botschaft über die vermeintlich schlechte Welt und das Ende dieser kundzugeben. Ein weiterer Faktor, der die Denkweise von Menschen beeinflusst, sind Bücher. Evangelikale Autoren wie Hal Lindsey oder John Hagee schreiben Bestseller-Bücher, die Gründe für den Weltuntergang suchen und beschreiben, wie dieser ablaufen wird. Als Quelle für ihre Mutmaßungen benutzen die Autoren die Bibel. So beschreibt Hagee die Schlacht um Jerusalem. Zudem berichtet er, dass der Islam ein entscheidender Faktor darstellt, warum Armageddon kommen wird. Denn laut ihm ist der Islam, anders als das Christentum, das für Liebe und Zuneigung kämpft, grausam und diabolisch. Außerdem verknüpft er weltpolitische Ereignisse mit dem Weltuntergangs-Pathos und sieht darin auch wieder islamisch Gläubige als Verursacher dieser Ereignisse. [1]

Grundsätzlich vermittelt nicht nur John Hagee ein falsches Bild vom Islam. In den Medien, die von fundamentalistischen Christen beeinflusst sind, werden gezielt Falschaussagen über diese Religion getroffen sowie stereotypische Bilder erzeugt und verallgemeinert. Als Beispiel nennt er die Unterdrückung der Frau. Der Film Exposed von Glenn Beck vergleicht den Islam unter anderen mit dem Nationalsozialismus, was eine absolut extreme und gefäjhliche Aussage ist und die Religion rein gar nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun hat. Dazu beeinflussen Hagee, Beck und andere fundamentalistische Medienschaffende einflussreiche Persönlichkeiten, wie den ehemaligen Senator von Connecticut Joe Lieberman, der hinter den Aussagen von Hagee steht. Weiter hatte der ehemalige Ministerpräsident von Israel, Benjamin Netanyahu, Joel Rosenberg, einen evangelikalen Sciencefiction Autoren als PR-Berater, sodass fundamentalistische Gruppen ihren Einfluss sogar bis nach Israel ausweiten können, wo nach ihren Vorstellungen das Königreich Christi errichtet werden soll. [2]

Kein Wahlkampf ohne Fundamentalismus

Durch die vorangegangen Beispiele Netanyahu und Lieberman zeigt sich also, dass fundamentalistische Gruppen Zugang zu hohen Politikkreisen haben und Medienangebote gezielt für ihren Nutzen verwenden und dadurch ihre Weltanschauung verbreiten können. Außerdem füllen die Feindbilder, die sie erzeugen, alte Lücken, denn den USA fehlt, laut Michael Sells, dem Autoren von Armageddon in Christian, Sunni, and Shia Traditions nach Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990er Jahren der jahrzehntelange Sündenbock, mit dem sie bestimmte politische Aktionen rechtfertigen konnten. Der ehemalige US-Präsident Georg W. Bush, der von den fundamentalistischen Christen im Wahlkampf Unterstützung erhielt, rechtfertigte den Angriff auf Irak im Jahr 2003 damit, dass es die gottgegebene Mission der USA sei, Frieden zu bringen. [3] Dazu gehören in den Vereinigten Staaten mehr als 20.000 Schulen christlich-fundamentale Kreise und somit stehen Millionen von Schülern unter deren Einfluss und werden anhand dieserErziehung ebenfalls von einem bestimmten politischen Bild geprägt. Auch Donald Trump erhielt zum Beispiel bei seiner Entscheidung, Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anzuerkennen, große Anerkennung bei fundamentalistischen Gruppen, die schließlich jede vierte wahlberechtigte Person ausmachen. Durch diesen großen Anteil und ihren massiven Einfluss sind die Präsidentschaftskandidaten in den USA enorm von ihrer Gunst abhängig und richten deshalb zum Teil ihre Politik nach deren Meinung aus. Das ist aktuell an den Abtreibungsdebatten in den USA zu erkennen. 

Endzeitvorstellungen im Islam

Gibt es nun ebenfalls solche Ansätze in muslimisch geprägten Ländern? Inwiefern erreichen hier fundamentale Gruppen die Allgemeinheit?
Betrachtet wird hier wieder zuerst die Vorstellung fundamentalistischer Strömungen des Islams, wie die Erde untergehen wird und wie dieses Bild die Politik und die Medienlandschaft prägt. Zuerst gilt es, eine Trennung zwischen schiitischen und sunnitischen Strömungen einzuhalten. Der Koran beschreibt grundlegend den Untergang der Erde als plötzliches Ereignis und jeder Mensch muss sich einem Gericht stellen, das darüber entscheidet, wer erlöst wird. In der schiitischen Tradition kommt, wie im Christentum, Jesus als Messias zurück auf die Welt und vernichtet den Anti-Messias, der al-Dajjal genannt wird. Des Weiteren würdigt er die Muslime als seine wahren Anhänger und der zwölfte Imam kehrt als Madhi zurück. Madhi ist nach traditioneller islamischer Glaubensauffassung ein Nachkomme des Propheten Mohammed, der in der Endzeit auftauchen und das Unrecht auf der Welt beseitigen wird.
In der sunnitischen Tradition hingegen tritt der Madhi hier zum ersten Mal auf. Statt Jerusalem ist allerdings Kufa im heutigen Irak Ort des Geschehens.

Der islamische Einfluss auf Iran und Saudi-Arabien

Fundamentalistische schiitische Gruppen des Islams legen diese Koranstellen wörtlich aus und warten auf die Ankunft des Madhis. Benutzt wird dieses Warten auch auf politischer Ebene, wie der iranische Präsident Mahmud Ahmedinejad 2006, um zum Beispiel Atomwaffen zu rechtfertigen, da diese im Fall eines nuklearen Armageddon zum Einsatz kommen werden. Aber auch dazu, um zu erklären, warum mit dem Westen und vor allem im Israel-Palästina-Konflikt auf keinen Fall eine Einigung oder Frieden gewünscht ist, wie es der radikale Islamischlehrer Ali al-Timimi Universität Medina tut, der gezielt junge Menschen ein anti-westliches Weltbild vermittelt. [4]
Dennoch sind für salafistische fundamentalistischen Gruppen des Islams die Politiker zum Teil mit Schuld an dem bevorstehenden Armageddon, da sie zu viele Eingeständnisse gegenüber dem Westen leisten und damit die Rettung der muslimischen Gläubigen bedrohen. Als 1979 im Iran die Revolution begann und das Schah-Regime stürzte, erhielt damit einhergehend der Gedanke an einen Staat Aufschwung, der sich wörtlich an die Gesetze des Korans hält und weniger mit dem Westen kooperiert, wie eben das vorherige Regime. Dabei schrecken radikale fundamentalistische Gruppen auch nicht vor Gewalt zurück, um ihre Mission zu erreichen. 1979 zum Beispiel, als eine Gruppe um den Gelehrten Juhayman al-‘Utaybi die Kaaba in Mekka stürmte und Geiseln nahm, da die Monarchie von Saudi-Arabien ihrer Meinung nach nicht den islamischen Pflichten nachkam, den wahren islamischen Glauben zu fördern und einzuhalten.

Die Medien als Werkzeug radikaler Islamisten

Allerdings versuchen solche Gruppen nicht nur durch gewaltsame (politische) Taten die Aufmerksamkeit der Politik und auch der Bevölkerung zu erreichen, sondern auch durch Massenmedien. Tatsächlich veröffentlichte ein iranischer Fernsehsender eine TV-Serie mit dem Namen the world towards Illumination, die erst einmal aufzeigt, welche utopischen und dystopischen Armageddon-Vorstellungen grundsätzlich existieren. Weiter geht die Sendung aber darauf ein, wie gefährlich Prediger, wie John Hagee seien. Zudem bringt er mutmaßliche Beweise dafür auf, dass die USA unter Präsident Ronald Reagan und Präsident Georg W. Bush einen (nuklearen) Armageddon planen, wobei sie auch berühmte Kino-Filme, wie Armageddon aus dem Jahr 1998 dafür nutzen. Damit wollen sie zeigen, wie weit das westliche Selbstverständnis eines von ihnen gemachten Armageddons bereits ist. In Saudi-Arabien, wo ebenfalls fundamentalistische Muslime leben, vermitteln Gelehrte der islamischen Universität Medina in Schriften aber auch bei Vorträgen ihre Ansichten. Der ehemalige Leiter der islamischen Universität und Großmufti von Saudi-Arabien Shaykh Abdulaziz bin Baz lehrte und verbreitete die Haltung unter den Studierenden, dass Muslime keinesfalls unter den Einfluss von Juden und Christen kommen dürfen, da diese als ungläubig gelten und somit ihren persönlichen Glauben schwächen könnten und unrein machen.

Darüber hinaus schreibt er klar die Trennung zwischen Mann und Frau vor und verurteilt zudem die Praktiken, wie das Beten zu Allah der meisten Muslime als unzulänglich und zu wenig gottgetreu. Denn für ihn sind wahre Muslime nur Salafisten, also die, die sich zum wahren, reinen Islam bekennen. Innerhalb des Kollegiums der Universität in Medina sind diese Ansichten stark verbreitet. Seine Schüler, wie Ali al-Timimi, übernehmen dieses Gedankengut und tragen es in die muslimischen Zentren weltweit weiter. In ihren Argumentationen führen sie stets den schlechten Einfluss des Westens und des Christen- sowie des Judentums an, da sie zu ungläubig leben und damit außerdem für das Ende der Welt verantwortlich zu machen sind. Erneut ein bekanntes Bild aus den evangelikalen Kreisen und Reden bzw. Bücher der Fernsehprediger. 

Fazit

Abschließend lassen sich nun einige Punkte festhalten und eine Antwort auf die eingangs erwähnten Fragen darlegen. Zuerst unterscheiden sich die Vorstellungen und das damit einhergehende Leben nach dem Untergang der Erde tatsächlich nur in der Hinsicht, wer nun als gerettet und wer als ungläubig gilt. Im fundamentalistischen Islam sind die Christen die Menschen, die für den Weltuntergang verantwortlich sind und bei den fundamentalistischen Christen ist der Islam der Sündenbock. Politikern, wie Donald Trump spielt dieses gottgegebene Feindbild zum Teil in die Karten. So können sie ihre Entscheidungen damit rechtfertigen, dass sie Dinge zugunsten ihrer, meist einflussreichen, fundamentalistischen Wähler bzw. Mitbürger veranlassen. In Afghanistan wird die Politik von der Taliban, einer radikal fundamentalistischen Gruppe, geführt. Schon wenige Tage nach der Machtübernahme wurden sogleich die Frauenrechte eingeschränkt sowie die Scharia als gesetzmäßig erklärt. Doch auch Angriffe auf Länder im Nahen Osten durch die USA können durch fundamentalistische Interpretationen gerechtfertigt werden. Dazu kommt außerdem, dass fundamentalistische Gruppen erkannt haben, wie sie ihre Botschaften und damit allen voran den Untergang der Erde durch die Medien, wie Fernsehen,  verbreiten können. Dabei werden durch lebhafte Beispiele des Bösen und Bilder, die an bekannte Hollywoodfilme erinnern, versucht, möglichst vielen Menschen die große Bedrohung zu verdeutlichen. Die große Bedrohung ist hier wieder die jeweils andere Glaubensrichtung.

Somit entsteht eine Art Dualismus zwischen den fundamentalistischen Strömungen und der Politik, die zum einen versuchten ihre Ziele durchzusetzen und zum anderen einander für ihre Zwecke benötigen. Dafür sind Medien Mittel, um Menschen möglichst direkt und schnell  zu erreichen sowie ihnen ihre Ansichten und Gedanken auf den Weg zu geben und dabei ein Umdenken anzuregen. Trotzdem sind Menschen zwar beeinflussbar, doch die religiöse und politische Überzeugung einer Person wird nicht nur durch das Betrachten von Telepredigern oder gar einfach nur den neuesten Actionfilm im Kino beeinflusst. 

[1] Vgl. Sells, Michael: Armageddon in Christian, Sunni, and Shia Traditions, 2013. S. 10.
[2] Vgl. Ebd. S. 13/14.
[3] Vgl. Sells, Michael: Armageddon in Christian, Sunni, and Shia Traditions, 2013, S. 6.
[4] Vgl. Sells, Michael: Armageddon in Christian, Sunni, and Shia Traditions, 2013, S. 18.

Literaturnachweis:
Sells, Michael: Armageddon in Christian, Sunni, and Shia Traditions, 2013. S.10-28.


Layout: Dominika Tóthová
Header: Dominika Tóthová

Veröffentlicht von nomennominandum

Die Nomen Nominandum ist das Magazin der Student*innen des Historischen Seminars der LMU. Folgt der NN, deNN sie ist sehr gut!

Hinterlasse einen Kommentar